Du sollst dir ein Bild machen - vom Affentheater bis zur Zauberformel, bildhafte Sprache, innere Bilder, Imagination

Juli 2021

Noch ein Wort und ich springe dir «mit dem nackten Arsch ins Gesicht!» ‒ dieser Ausdruck bedeutet, jemanden «bedrohen, ihn angreifen». Derselbe Textinhalt, zwei verschiedene Ausdrucksweisen, einmal anschaulich, einmal gewöhnlich. Man spürt’s deutlich, die Wirkkraft der bildhaften Sprache „fährt ein“ und packt uns unmittelbar. Bildhafte Sprache besitzt eine grosse Lebendigkeit, sie strotzt vor Ausdruckskraft! Warum aber üben Bilder eine solch starke Wirkung auf uns aus? ‒ Dieser Text geht der Kraft der Bilder auf den Grund, aus verschiedensten Blickwinkeln. Dabei wird auch die Rede sein von inneren Bildern und vom Potential der menschlichen Vorstellungskraft.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, sagt man. Stimmt das? ‒ ja und nein! Natürlich besteht die Kraft der Bilder darin, Emotionen in uns direkt anzusprechen und so Welten in unserem Inneren zum Schwingen zu bringen. Bilder lösen in uns eine unmittelbare Resonanz aus, denn sie sprechen ein Areal in unserem Gehirn an, das uns schnelle und gut verständliche Informationen liefert, die Sehrinde im Hinterkopf. Dank Bildern sind wir also im besten Sinne des Wortes schnell und einfach «im Bild», kurz: wir verstehen. Aber Bilder lassen auch – dies die Kehrseite eines reinen Informationstransfers per Bild – jede Menge Interpretationsspielraum offen. Bilder können so und so verstanden werden. Bilder benötigen darum zur klaren, inhaltlichen Einordnung einer Information immer auch gezielte Worte. Der Mix macht‘s: Bild und Text.

Die Sprache im digitalen Wandel

Bilder haben in der Kommunikation des digitalen Zeitalters die Vorherrschaft übernommen, die Sprache wird zur Nebendarstellerin. Die visualisierte Kommunikation mit Bildern, Videos, Fotos gibt in den sozialen Medien den Ton an. Es ist wesentlich einfacher, schnell ein paar Bilder zu schiessen und zu versenden, als einen Text zu schreiben.

In der Tat, das Zeitalter der Digitalisierung eröffnet uns eine grosse Vielfalt an Kommunikationsmöglichkeiten, eine reichhaltige Palette, uns auszudrücken. Trotzdem: Vergessen wir den Reichtum, die Ausdruckskraft unserer Sprache nicht! Staunen wir über die Möglichkeiten unserer Sprache. Pflegen wir bewusst die verbale Kraft, die Menschen anzusprechen vermag, die sie inspiriert und bewegt.

Kino im Kopf

Nicht nur Emojis verstehen es, Emotionen in uns zu wecken, sondern auch eine bildhafte Sprache schafft es geradezu mit Links, in uns Gefühle anzusprechen und so Informationen gezielt zu vermitteln. Mit passenden Sprachbildern erreichen wir unsere Mitmenschen und Geschäftspartner viel schneller und effektiver, denn bildhaft zu sprechen und zu schreiben begünstigt jede Aussage. Wenn wir mit Worten, die man hören, riechen, schmecken und fühlen kann, bei unserem Gegenüber Kino im Kopf auslösen, dann steht dem gegenseitigen Verstehen nichts mehr im Wege. Dieses gegenseitige Verstehen ist die eigentliche Triebfeder der menschlichen Sprache.

Beispiele bildhafter Ausdrücke

  • Sich pudelwohl fühlen
  • ein Katzensprung entfernt
  • Was für ein Affentheater
  • der reinste Zirkus
  • Die Nase vorn haben
  • Lösungen mit Hand und Fuss, mit Pfiff, mit Biss
  • Freie Fahrt für ...
  • mit Volldampf durchstarten
  • Frischen Wind hineinbringen
  • jdm das Wasser reichen können
  • Sackschwer
  • federleicht

Wenn wir die Fühler bewusst ausstrecken und ein Händchen entwickeln für bildhafte Ausdrücke, dann springen uns die Sprachbilder im Alltag an allen Ecken und Enden an, fliessen dann  intuitiv in unseren Wortschatz, vitalisieren unsere Sprache und bereichern unser Leben.

Schöpferische Imagination ist eine besondere Variante des Mentaltrainings,
es ist nichts anderes als das Planen der Ernte.
Wir können auf dem geistigen Acker säen, was wir wollen,
ernten werden wir das, was wir gesät haben.

 

Kurt Tepperwein, 1932,
Autor und spiritueller Lehrer

Die schöpferische Kraft der Bilder

 

Runden wir den Rundgang durch die Kraft der Bilder ‒ nach den Überlegungen zur Ausdruckskraft und zum Reichtum unserer Sprache ‒ durch Gedanken zur Weisheit der Sprache ab: Es ist natürlich kein Zufall, dass wir von unserem «Selbstbild» sprechen, von unserem «Menschenbild» und von unserem «Weltbild». Denn es sind unsere inneren Bilder, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. In diesen inneren Bildern spiegeln sich unsere Vorstellungen und Einstellungen zum Leben. Denn so wie wir im Inneren eingestellt sind, so stellt sich unsere Realität im Aussen ein. Nach dem Gesetz der Resonanz ziehen wir mit unseren inneren Bildern genau die Lebenssituationen an, die zu unseren Einstellungen passen, die ihnen eben entsprechen. 

Unsere inneren Bilder, die wir jederzeit mit dem Gebrauch unserer inneren Vorstellungskraft, bewusst «malen» und gestalten können, sind ein Instrument um in Resonanz zu gehen: in Resonanz mit dem, was wir uns wünschen, mit dem, was wir planen, mit dem, was ideal wäre, mit dem, was wir uns im wahrsten Sinne des Wortes für unsere Zukunft «vorstellen». Unsere Vorstellungskraft bewirkt Schöpfungen. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, wir sind mit unseren inneren Bildern und Einstellungen Schöpfer, wir sind Schöpferin unserer Lebensumstände. Das bedeutet Verantwortung auf der einen und bedeutet auf der anderen Seite unendliche Möglichkeiten der bewussten Lebensgestaltung.

Das Pünktchen auf dem «i» der schöpferischer Imagination besteht darin, sich seine bewusst gewählten Bilder nicht nur innerlich vorzustellen, sondern sie geradezu mit Energie und Leben zu füllen, sie jetzt zu sein. Denn, was wir künftig erleben wollen, müssen wir jetzt sein! Nur wenn wir uns jetzt als Glückspilz fühlen, ziehen wir künftig Glück an. Denn nur das Jetzt ist magisch. Leben findet nur im Hier und Jetzt statt. Das Neue, das wir im nächsten Augenblick, im nächsten Jetzt, ins Leben rufen wollen, muss jetzt schon verwirklicht sein, innerlich. Wir müssen unsere Wunschträume jetzt innerlich in Besitz nehmen, jetzt fühlen, jetzt erleben, jetzt sein, um sie Stück für Stück mit Lebenskraft zu füllen, damit sie im nächsten Jetzt vollends im Aussen in Erscheinung treten können. Was wir im Aussen wünschen, müssen wir erst innerlich erschaffen. Du sollst dir jetzt ein Bild machen!