Sprache im digitalen Wandel - Sprache vitalisieren, wie sind wir gestimmt?, Genuss ist Übungssache!

Juni 2021

In diesem ersten Kick für mehr Ausdruckskraft spanne ich einen weiten Bogen: Ich starte mit Überlegungen zur verbalen Grosswetterlage, zu unserer Sprache im digitalen Zeitalter und runde diese Gedanken ab mit zwei stilistischen Kniffs für eine lebendige Sprache. In der Folge wende ich mich dem zentralen Medium unserer Ausdruckskraft, unserer Stimme, zu. Dabei stimmen wir auch in den Chor der Bienen, Hummeln und Chorsänger mit ein, um zu guter Letzt den Tisch für die Kunst des Geniessens zu decken. – Viel Vergnügen!

Unsere Sprache im digitalen Wandel

Unsere Sprache wird im digitalen Zeitalter ganz schön durchgeschüttelt und verändert. Der Sprache kann es eigentlich egal sein, wie sie sich entwickelt, denn als grundlegend kreatives und anpassungsfähiges System wandelt sie sich ohnehin ständig, so oder so. Aber für uns Sprachbenutzer ist es entscheidend, welche Worte wir wählen: Worte wie Edelsteine, die Lebendigkeit und Ausdruckskraft haben, oder Worte wie loses Geröll, die blutleer und leblos dahinplätschern.

Der digitale Wandel treibt eine Seite unseres Mensch-Seins auf die Spitze: Die Rationalität. Im Prozess der Digitalisierung werden Dinge zu Daten, Schritt für Schritt wird unsere Wirklichkeit ins binäre System von Einsen und Nullen gebannt. Diese Tatsache wirkt sich auch auf unsere Sprache aus: Im Umgang mit unseren Endgeräten werden wir tagein tagaus mit einer sachlichen, rein-funktionalen Technologiesprache konfrontiert, mit einer vereinfachten, degenerierten Standardsprache. Der Reichtum unserer Sprache verflacht und es entsteht so «nadisna» eine Sprache reiner Bedienungsanleitungen.

Das Verhängnisvolle dabei: Unsere Sprache ist eng mit unserem Denken verbunden, unser Denken mit unserer Geisteshaltung, unser Geist mit unserer Wahrnehmung und unsere Wahrnehmung prägt unser Leben. Verflacht sich also unsere Sprache, wird unser Leben seichter und flacher! – Aber Jammern ist nicht die Sache gelebter Ausdruckskraft: Das Motto lautet «bewusst besser machen!». Mit einem bewussten Sprachgebrauch können wir die Möglichkeiten einer lebendigen Sprache gezielt ausloten, zum Beispiel mit Synonymen und Redewendungen. 

Sprache vitalisieren

Wie bringen wir auf einfache Art und Weise Schwung in unsere Sprache? Zum Beispiel mit zwei stilistischen Kniffs: Synonyme und Redewendungen!

Gehen wir auf Entdeckungsreise zu Synonymen, also zu Wörtern mit ähnlicher Bedeutung, so vitalisieren wir unseren Wortschatz. Indem wir den passiven Wortschatz sanft wachküssen, huscht nämlich eine reichhaltige Palette „neuer“ Wörter vom passiven in unseren aktiven Wortschatz und wird zu unserem Sprachgebrauch. «Den Wortschatz erweitern bedeutet nicht nur, die Sprache beleben, sondern unser Leben bereichern.» (Rainer Nickisch). So könnten wir unsere Sprache vitalisieren, indem wir uns zum Beispiel drei Minuten am Tag Zeit nehmen und (irgend-)ein Wort unter www.woxikon.de nachschlagen, dabei zahlreiche Synonyme entdecken und so gezielt unseren inneren verbalen Sprachschatz anreichern.

Zudem: Sorgen wir als zweiten Kniff dafür, dass unsere Sprache wieder Hand und Fuss hat, dass die Worte runtergehen wie Honig und unsere Worte zugleich Balsam sind für unsere Seelen. Wenn wir ein Auge für Redewendungen entwickeln, sehen wir sie im Alltag an allen Ecken und Enden. Es ist die Einfachheit und Griffigkeit der Redewendungen, die ihre Wucht und Lebendigkeit ausmacht. Auf dass der Reichtum unserer Sprache nicht bachab, sondern Hand in Hand geht mit den Segnungen des digitalen Zeitalters, und so Sprache und Digitalisierung zusammen aufblühen.

Wie sind wir gestimmt?

Sie ist die zentrale Bühne unserer ureigenen Ausdruckskraft: unsere Stimme! Sie verleiht unserer Individualität Ausdruck. Sobald sich die Lungenflügel des Neugeborenen mit einem kräftigen Schrei zum ersten Mal weiten und Luft durch die Atemwege strömt, beginnt unsere Stimmentwicklung. Und sie wächst und gedeiht mit uns mit. Sprechen, schreien, flüstern, singen, summen: Die Fähigkeit, Laute von uns zu geben, ist ein faszinierendes Resultat der Evolution. Vielleicht gar das Alleinstellungsmerkmal der Spezies Mensch?

Unsere Stimme beruht auf dem Zusammenspiel eines komplexen Systems in unserem Körper, sie ist vielfältig und absolut einzigartig – unsere Stimme ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Wie schön, gehaltvoll und ausdrucksstark eine Stimme tönen kann, zeigt dieses Video: Elmar Bartel liest das Gedicht "der Mai" von Erich Kästner - YouTube

Aber wie finden wir unsere Stimme, wie den passenden Sitz unserer Stimme? – Eigentlich kinderleicht, indem wir summen! Summen ist eine Standardübung in jedem Gesangs- und Sprechtraining und – Summen wirkt Wunder! Einfach immer wieder einmal vor sich hin summen, oder auch ganz bewusst summen. Ja, Summen öffnet unsere Resonanzräume, belebt und bringt uns in unsere Mitte, bringt uns zurück zu unserer Stimme. Eine Portion Bienen- und Hummel-Sound ist natürlich auch ideal vor Telefongesprächen, vor wichtigen Meetings und natürlich vor Redeauftritten. Zudem: Spielerisches Summen ist pure, kindliche Freude, Summen in den höchsten Tönen und den dunkelsten Tiefen. Einfach frisch drauflossummen.

Summend setzen wir zum Schlussspurt an und gelangen in die Welt des Geniessens.

Genuss ist Übungssache

Mmmmmmhhhh ‒ das ist doch der Sound, der über unsere Lippen huscht, wenn wir genüsslich die Crevetten auf dem Teller vor uns sehen. Ist dieses friedliche, leise Mmmmhhh gar das Markenzeichen des Geniessens?

Auf alle Fälle ist das Mmmmhhh eine kulinarische Variante des Summens und ein sonorer Ausdruck eines umfassenden Wohlgefühls. Summen und Geniessen bringen uns also nicht nur in unsere Mitte, zu uns selbst, sondern schenken uns ein Rundum-Wohlgefühl, eine Art Frieden und Versöhnt-Sein im Hier und Jetzt. Der Geniesser, die Geniesserin schliesst im Genussmoment Frieden mit dem Augenblick, mit sich selbst und der Welt. Und das kann man üben.  Lasst uns üben!