Sich selbst und andere zu ermutigen ‒ das ist wohl eine der wertvollsten menschlichen Gaben. Ermutigung ist Menschenförderung ist Lebensförderung pur. Ermutigung er-höht das Gefühl von Selbstachtung, stärkt unseren Glauben an die eigenen Fähigkeiten und führt zu dem Schluss: «Hey, ich bin gut, genauso wie ich bin!». Ja mehr noch: Ermutigung führt zur Überzeugung «Ich kann!». Das Gegenteil von Ermutigung ist Entmutigung und sie raubt uns das Wichtigste, was wir im Leben brauchen, nämlich Mut. Mut ist Ausdruck des Selbstvertrauens und erwächst aus dem Glauben an unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten.
Das Prinzip «Ermutigung» geht zurück auf Alfred Adler (1870-1936), den Begründer der Individualpsychologie. Aufgrund vieler Beobachtungen kam Adler zur Überzeugung, dass hinter vielen störenden Verhaltensweisen und Problemen letztlich mangelnder Mut (= Entmutigung) steht. Er ging davon aus, dass mangelnder Mut und die Befürchtung, bestimmten Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein, Menschen dazu veranlasst, Lebenssituationen auszuweichen und sich in ungeeignete Ersatzhandlungen zu flüchten. Nach Adlers Überzeugung würden alle diese Probleme verschwinden, wenn die Betreffenden den Mut fänden, sich ihren Lebensaufgaben zu stellen und sie zu lösen, so gut es eben geht. Heilung hiess für ihn deshalb vor allem Ermutigung: Menschen Mut zu machen, sich jenen Herausforderungen zu stellen, um die sie bislang einen grossen Bogen gemacht haben.
Ermutigung ist keine Technik, sondern eine Haltung ‒ eine Haltung zu anderen Menschen, aber auch, und dies vielleicht in erster Linie, eine Haltung zu sich selbst. Wer andere ermutigen möchte, muss sich erst selbst ermutigen können. Denn nur wer sich selbst akzeptiert und wohlwollend mit sich selbst umgeht, kann auch andere ermutigen. Selbstakzeptanz ist das Fundament jeglicher Ermutigung: «Ich bin gut, genauso wie ich bin!». Das heisst nicht, dass ich perfekt bin und es heisst erst recht nicht, dass ich frei von Fehlern und Mängeln bin und es heisst schon gar nicht, dass ich mich nicht mehr verbessern kann oder brauche – es heisst lediglich, dass ich, so wie ich bin, ganz in Ordnung bin und dass ich mich nicht ständig selbst kritisieren und in Frage stellen muss. Sich selbst akzeptieren nicht unter Ausblendung seiner Schwächen, Unzulänglichkeiten und Fehlern, sondern unter deren Einbezug.
Sich selbst zu ermutigen ist aber etwas völlig anderes als «positives Denken». Ermutigung bedeutet nicht, verkorkste Situationen nachträglich schönzureden. Vielmehr geht es darum, so nüchtern wie möglich (sogenannt) Negatives wie Positives zu resümieren, sich aber wegen der Mängel weder selbst abzustrafen noch falsche Schlüsse in Bezug auf mangelnde Talente und Fähigkeiten zu ziehen. Selbstermutigung heisst, eine klare, konstruktive und engagierte Schlussfolgerung für den nächsten Versuch, den nächsten Schritt im Leben abzuleiten. Das heisst, wir nehmen den aktuellen Misserfolg oder das aktuelle Problem, so wie es ist, zur Kenntnis, aber wir betrachten dies nicht als Nachweis unserer Unzulänglichkeit und Unfähigkeit, sondern als Zwischenstand in einem Entwicklungsprozess, auf den selbstverständlich der nächste Schritt folgt. Ermutigung ist eine ungeheuer starke und zukunftsgerichtete Kraft, Ermutigung ist eine wahre Schubkraft. Ohne Ermutigung keine Entwicklung.
Wo nicht viel Mut ist, ist auch nicht viel Ermutigung.
Jeder Mensch kann andere nur ermutigen
bis zur Grenze seines eigenen Mutes
Change Manager &
Umsetzungsberater
Der Mut, sich selbst zu akzeptieren, tut gut. Es ist dies aber nicht etwa ein grossartiger, heroischer Heldenmut, oder gar Tollkühnheit. Es ist eher eine leise, eine unscheinbare Variante von Mut, die da von uns gefordert wird. Mut geht Hand in Hand mit dem Gefühl von Verantwortung und bringt unser Vertrauen zum Ausdruck, uns allem stellen zu können, was uns im Leben entgegentritt. Ermutigung vitalisiert in uns den schlichten Mut zum nächsten Schritt im Leben. Dieses einfache «Ja», das uns weiterbringt. Ermutigung stärkt unser Selbstvertrauen und damit auch die Bereitschaft, uns Veränderungen, wie auch immer sie ausschauen mögen, zu stellen und sie zu meistern.
Je selbstbewusster, sprich: mutiger, wir im Leben geworden sind, desto leichter stecken wir auch Rückschläge weg. Für einen selbstbewussten Menschen ist ein Misserfolg im wahrsten Sinne des Wortes eine Herausforderung: Er will es wissen und probiert es gleich noch einmal, und nötigenfalls auch noch zehnmal. Für mutlose Menschen dagegen ist jeder Misserfolg eine Bestätigung für das, was sie im tiefsten Inneren eh längst schon gewusst haben: «Ich kann das nicht! Ich habe dafür kein Talent! Es hat keinen Sinn, dass ich mich überhaupt weiter quäle – das ist aussichtslos!» Das Verrückte ist, dass beide, der Mutige und der Mutlose, auf ihre Weise Recht haben. Denn unsere innere Einstellung entscheidet, wie sich unsere äussere Realität einstellt. Wir sehen die Welt nicht so, wie sie (wirklich) ist, sondern so, wie wir sind. Wir «machen» unsere Erfahrungen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir machen sie, in der Tat, weit mehr als uns dies bewusst ist.
Der Gedanke mit der grossartigsten Ermutigungspower, der mir an der Arbeit am Wert der Ermutigung begegnet ist, ist folgender, egal in welcher Lebenssituation, sich einfach zu fragen: «Wer wenn nicht ich, soll diese oder jene Aufgabe lösen»?, «Wer wenn nicht ich, soll diesen Lebensweg gehen»?, «Wer wenn nicht ich»?, «Wer wenn nicht ich»?